WROCLAW - Am vergangenen Donnerstag wurden im polnischen Wroclaw die World Games eröffnet. Bei dem aller vier Jahre stattfindenden Event starten über 3000 Athleten aus 110 Ländern. Billard ist mit Pool, Snooker und Dreiband vertreten. Titelverteidiger ist der Italiener Marco Zanetti, der vor vier Jahren im kolumbianischen Cali den Titel gewann. Das Dreiband-Turnier startet am kommenden Mittwoch mit 16 Teilnehmern. Der 55-jährige Italiener, zweifacher Einzelweltmeister, ist stolz, sein Land bei diesem Mega-Event zu präsentieren. „Die World Games sind für uns, die weniger bekannten Sportarten, wie Olympische Spiele.“

Der Triumph vor vier Jahren war für Zanetti eines der ganz großen Highlights seiner Karriere und eine unvergessliches Erlebnis. „Ich erinnere mich an den tollen Empfang mit unzähligen Kameras an die große Liebe für unseren Sport in Kolumbien und an die immense Anzahl von Polizeibeamten, die uns ständig umgaben, um die Sicherheit zu gewährleisten.“

Nun reisst er als Titelverteidiger nach Wroclav. Nach dem letzten Weltcup in Porto ist er wieder in den Top 3 der Weltrangliste hinter Dani Sanchez und Dick Jaspers.

Die Teilnehmer und die ersten KO-Runden des Dreibandturniers bei den World Games. (26. und 27.Juli) 

Dani Sánchez (Spanien) -Dawid Tonojan (Polen)
Hugo Patino (USA) -Javier Palazón (Spanien)
Quyet Chien Tran (Vietnam) -Huberney Cataño (Kolumbien)
Sameh Sidhom (Ägypten) -Eric Tellez (Costa Rica)
Marco Zanetti (Italien) -Kostas Kokkoris (Griechenland)
Sung-Won Choi (Korea) -Pedro Piedrabuena (USA)
Eddy Leppens (Belgien) -Can Capak (Turkei)
Dick Jaspers (Niederlande) -Ryuji Umeda (Japan).

KOZOOM Reporter Frits Bakker sprach mit Marco Zanetti kurz vor seiner Abreise zu den World Games.

KOZOOM/FRITS BAKKER - Wie wichtig ist es für Dich, Teil der World Games zu sein? Was bedeutete der Sieg vor vier Jahren für Dich?

MARCO ZANETTI - Die World Games sind das einzige Turnier, bei dem alle Billard-Spielarten unter dem Dach des IOC zusammenkommen. Das macht dieses Turnier so einzigartig. Darüber hinaus ist es Teil eines viel größeren Ereignisses, bei dem Tausende von Athleten aus der ganzen Welt teilnehmen. Es gibt eine offizielle Medaillenliste und es ist für jeden eine Ehre, sein Land zu vertreten. Im persönlichen Lebenslauf ist eine Medaille bei den World Games wie eine olympische Medaille zu sehen.

KOZOOM/FB - Was bedeutet es für die italienischen Athleten, ihr Land bei den World Games zu vertreten? Wie viele gibt es in den einzelnen Disziplinen und wurden sie in der nationalen Presse vorgestellt, wie zum Beispiel in den Niederlanden?

MARCO ZANETTI - Leider sind die World Games in Italien nicht so bekannt und die Medien haben im Vorfeld nicht viel berichtet. Immerhin stellte unser nationales olympisches Komitee die offizielle Sportkleidung zur Verfügung. In diesem Jahr war ich mit den italienischen Billardspielern zum ersten Mal zu einem Empfang in Rom beim Präsidenten unserer Republik. Dazu hatte mich Andrea Mancino, Präsident der FIBIS (Italienischer Billardverband) eingeladen.

KOZOOM/FB - Was waren die besten Erinnerungen an die World Games vor vier Jahren in Cali, abgesehen davon, dass Du gewonnen hast?

MARCO ZANETTI - Ich werde das große Publikum, die tolle Atmosphäre und die Popularität von Dreiband in Kolumbien nie vergessen. Es begann schon, als ich am Flughafen ankam, wo die Journalisten warteten und ein TV-Team für ein Interview bereit stand. Es endete auf die gleiche Weise nach dem Turnier. Flughafenangestellte fragten mich nach einem Autogramm und machten Bilder als Andenken. Ich fühlte mich wie das Zentrum aller Aufmerksamkeit und dank der großen Sicherheitsmaßnahmen auch sehr sicher. Eine kleine Anekdote habe ich noch: Das Publikum in Cali kannte die Regeln beim Snooker nicht und hatten keine Ahnung, wann ein Spiel entschieden war. Somit gab es auch keine Reaktion von den Rängen und die Spieler verließen die Arena in völliger Stille.

KOZOOM/FB - Wann wirst Du nach Wroclaw reisen? Fährst Du zusammen mit den anderen italienischen Athleten?

MARCO ZANETTI - Ich werde am Montag, 24. Juli alleine abreisen.

KOZOOM/FB - Du hast nach dem Weltcup in Porto den dritten Platz in der Weltrangliste erreicht. Das heisst: Du bist immer noch einer der Besten der Welt.

MARCO ZANETTI - Ja, das ist eine schöne Belohnung für all meine Anstrengungen. Es ist auch ein Beweis dafür, dass ich effizient trainieren kann.

KOZOOM/FB - Es wird viel gesprochen über die koreanische und vietnamesische Invasion mit hunderten von Talenten, die sehr hart trainieren. Wie gelingt es Dir oben zu bleiben und wie gehst Du mit dieser neuen Generation um?

MARCO ZANETTI - Ich versuche nach wie vor, mein Verständnis des Spiels zu verbessern und technisch noch besser zu werden. Ich trainiere alleine und wiederhole immer wieder schwere Positionen. Das ist mein persönliches Rezept um stärker zu werden. Wenn Du nicht in Form bist, wirst Du sofort bestraft. Heutzutage muß man immer sehr fokussiert und ruhig sein.

KOZOOM/FB - Siehst Du, wie viele Spieler und Fans, eine eher düstere Zukunft für das europäische Dreiband?

MARCO ZANETTI - Leider haben viele europäische Länder ein Generationenproblem. Die Billardclubs, die regionalen, nationalen und internationalen Verbände müssen ihre Mentalität ändern und sich der Aufgabe bewusst sein, die sie haben. Wir brauchen eine bessere Verbindung zu Schulen und anderen Sportvereinen, wo wir jungen Menschen zeigen können, worum es beim Billard geht. Auf der anderen Seite hat Europa immer noch die besten Spieler der Welt. Die Frage ist nun, wie lange noch? Die Zukunft im europäischen Dreiband ist unsicher geworden. Die Verbesserung der Bedingungen bei unseren Turnieren könnte ein starker Impuls sein, eine neue Generation zu gewinnen. Ich bin mir sicher, dass die UMB die richtigen Weichen stellen kann und auch der neue Vorstand der CEB sich den Herausforderungen stellt.

KOZOOM/FB - Kommen wir noch einmal zurück zum Weltcup. In den letzten zwei Jahren warst Du oft unter den letzten vier. Das waren auch die Jahre von Sanchez, Caudron und Jaspers. Wie siehst Du den aktuellen Status und die Entwicklung an der Spitze? 

MARCO ZANETTI - Im Dreiband haben sich die Namen in den letzten 10-15 Jahren nicht wesentlich geändert. Aber eine neue Ära könnte beginnen. Allerdings bleibt es dabei, dass es unmöglich ist, zu prognostizieren, wer an der Spitze stehen wird. Das macht unseren Sport so interessant.

KOZOOM/FB - Bereitest Du Dich als erfahrener Spieler auf die World Games, wie auf jedes andere große Turnier vor?

MARCO ZANETTI - Ja, so ist es. Ich werde nicht viel anders machen. Allerdings spielen wir diesmal mit Bällen und einem Tuch, auf dem wir keinerlei Erfahrungen haben. Das macht da Ganze ein bisschen unsicher.

KOZOOM/FB - Wie ist Dein Alltagsleben? Die Familie, die Kombination aus Privatleben und Billard, den vielen Reisen.

MARCO ZANETTI - Eine ausgewogene Lebensweise ist sehr wichtig für mich. Meine Familie bereichert mein Leben sehr und ist der Schlüssel für mein Gleichgewicht. Ich versuche, in Form zu bleiben, verbringe viel Zeit im Freien und habe ein gut organisiertes Leben. Dadurch fühle ich mich im Inneren auch jung. Ich kann gut trainieren, weil ich auch einen Tisch zu Hause habe. Das Reisen wird ein bisschen härter, aber ich konzentriere mich hauptsächlich auf die UMB-Events. Ich versuche nicht, in zu vielen Ligen zu spielen, so kann ich Energie für die großen Ereignisse sparen. Ich hoffe, dass ich mit dieser Art noch einige Jahre dabei bleiben kann.

KOZOOM/FB - Zum Schluß. Wie siehst Du die aktuelle Situation im Dreiband? Gibt es genügend Fortschritte in der Organisation? Die Spielerorganisation ist in gutem Kontakt mit den Verbänden, der UMB und CEB. Bist Du mit den Ergebnissen zufrieden? Was sind Deine dringendsten Wünsche für unseren Sport?

MARCO ZANETTI - Dreiband ist attraktiver als je zuvor. In den Top10 der Weltrangliste sind neun Nationen vertreten. Der Kampf der alten Generation, die die vergangenen Jahrzehnte beherrschte, wird härter. Wir haben im Moment acht offizielle Weltranglistenturniere pro Jahr und mein Wunsch ist es, mindestens 12 zu erreichen. Es fehlen immer noch Turniere in Europa und in Südamerika. Liga-Wettbewerbe sollten für die guten Spieler weiterhin wichtig sein, aber nicht für die weltbesten Spieler. Weiter steigende Preisgelder sollten der nächste Schritt sein, den wir erwarten und erhoffen. Unsere Spielervereinigung, die MBA, arbeitet mit der UMB zusammen und wir wissen, wie wichtig es ist, im Namen der gesamten Dreiband-Gemsinschaft zu sprechen. Wir wünschen uns auch, dass der professionelle Status nicht nur für eine kleine Anzahl von Spielern gefördert wird. Farouk Barki hat unser Vertrauen und wir beobachten die Entwicklung in Korea mit großem Interesse. Asien, vor allem Korea, kann entscheidend für die Definition einer neuen Ära im Dreiband sein. Wir hören viel darüber und sind bereit für neue Herausforderungen. Auch die jüngste Wahl des Vorstandes der CEB unter der neuen Präsidentin Diane Wild macht uns Hoffnung auf eine allgemeine Verbesserung in Europa. Unser Sport braucht professionelle Strukturen, um anspruchsvolle Berufsbedingungen für die besten Spieler zu garantieren. Dies wäre dann die Grundlage für eine neue Ära in der Geschichte des Dreibands. Die Billardspieler haben es verdient.

Vielen Dank an KOZOOM für die Gelegenheit, darüber einmal zu sprechen.

Marco Zanetti (als einziger Billardspieler) beim Empfang des italienischen Staatspräsidenten Sergio Matterella und des Präsidenten des NOK Giovanni Malagò

Zwei ehemalige World Games Sieger und Teilnehmer in Wroclaw: Marco Zanetti und Dick Jaspers